Kleine
Kulturgeschichte des venezolanischen Glücks, |
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Von Susanne Asal |
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Schokolade macht glücklich. Das ist offensichtlich. Kein Mensch würde jemals mit verbissenem Gesicht in eine Tafel Schokolade beißen, und wenn er es tut, dann sieht er danach bestimmt besser aus. Die wissenschaftliche Akkreditierung war längst überfällig, und nun ist es bewiesen: Beim Verzehr werden Stoffe ausgeschüttet, die für das Glücksgefühl im Körper zuständig sind. Die angenehmen Folgen kennt das Volk seit Jahrhunderten: Depressive Verstimmungen verschwinden, eine Entspannung gestresster Nerven setzt ein. |
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Schokolade macht gesund.
Auch dies wurde unlängst herausgefunden. Ihre Bestandteile sind wichtig
für das Herz-Kreislauf-System und senken das Risiko des Herzinfarkts.
Schokolade soll sogar Karies verhindern und Kupfer enthält sie auch.
Das stimmt alles sehr erfreulich und holt die süße Köstlichkeit
endlich aus der freudlosen Ecke, in die sie Gesundheitsfanatiker und
Fitnessgurus verbannt hatten. |
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Diese gesunde, glücklich und süchtig machende Pflanze entstammt, wie sollte es auch anders ein, dem Kontinent des Magischen Realismus. Sie gedieh wild in Lateinamerika und ist eine jener seltenen Gewächse, die sämtliche Stadien ihres Fruchtkreislaufs auf einmal trägt. Das hätte auch Gabriel García Márquez nicht besser erfinden können. Vor den Genuss hat die Natur aber erst einmal die Mühen gesetzt. Kakao lässt sich nicht leicht erobern. Die Frucht muss geerntet, zerteilt, die Kakaobohnen herausgelöst werden. Danach werden sie fermentiert, später getrocknet und dann geröstet und zermahlen. Schokolade und Kakao zuzubereiten, ist also eine Prüfung. Welche die Haute Cuisine der Maya und Azteken mit Bravour bestand. Als cuauhcachuatl verarbeiteten die Azteken geriebenen Kakao mit Gewürzen und Wasser zu einem stimulierenden Getränk. Die Maya tranken heiße, mit Vanille gewürzte chacau haa. Den Europäern schenkten sie nicht nur das Getränk und den Namen, sondern tatsächlich auch einige Kniffe zur Herstellung der Schaumhaube. Ihren Siegeszug durch Europa trat die Schokolade im 18. Jahrhundert an. Die Lust auf das süße aromatische Getränk lässt sich leicht nachvollziehen, vor allem, weil man weiß, womit sich die europäische Gesellschaft den Morgendurst ansonsten vertrieb: Mit lauwarmem Bier, dünner Weizengrütze oder schlicht Wasser. Erst ein Privileg des Adels, liebten sie bald alle. Doch weil sie alle liebten, musste sie auch in Massen produziert werden. Damit kein Pfusch passierte, brauchte man Standards. Aber wie stellt man sie fest? >The proof is in the eating<, das mag für die Konsumenten heute noch angehen, die sich glücklich und gesund durch die Tafeln testen. Für Produzenten und Einkäufer galt diese Nonchalance natürlich nicht. Und so wurde der Kakao von Chuao, ein Flecken an der karibischen Küste Venezuelas, dazu erkoren, den Maßstab zu setzen. Auf den Kakao von Venezuela konnte man sich offenbar blind verlassen, und er erklomm Mitte des 19. Jahrhunderts in der Qualitätsskala einen derart hohen Rang, dass er in der spanischen Welt einfach Caracas hieß und nicht Kakao. Der Name führt ein wenig in die Irre, denn nicht die rund 100 Kilometer weiter östlich gelegene Hauptstadt Caracas war damals maßgeblich. Sondern eben dieses verschlafene Chuao, das so unbedeutend geworden ist, dass man sich nicht einmal die Mühe macht, eine Straße dorthin zu bauen. Heute nach Chuao zu kommen, ist ein deswegen wenig abenteuerlich, aber sehr schön. Wir bitten in dem sanft verschlampten Puerto Colombia einen Fischer, uns mit seinem Kahn dort hin zu bringen. Dann wandern wir noch ein bisschen durch den Urwald, um vom winzigen Hafen in einen kleinen Ort zu gelangen, in der einmal der erste Ausfuhrschlager des Landes bewegt wurde. Eine schöne Kolonialkirche deutet auf die einstige Pracht hin, auf der Plaza davor stapelte man einst die begehrte Frucht. Diese Region wird nun von dem ältesten Nationalpark des Landes beschirmt, dem Parque Nacional Henri Pittier. Feucht schillernde Kordillerenwälder steigen auf 2000 Meter hoch, ein Traum vom Dschungel brandet an mondsichelförmige Strände, die - ein Erbe aus der Blütezeit der Plantagen - von Kokospalmen gerahmt werden. Die gehört längst der Vergangenheit an. Doch wir profitieren trotzdem davon. Denn zwischen Puerto Colombia mit seinem Bilderbuchstrand Playa Grande und dem anmutigen Kolonialort Santa Clara de Choroní liegen in der Stille der Wälder ehemalige Haciendas, die zu Hotels umgewandelt wurden und so stilecht sind, dass einem das Herz höher hüpft, mit gepflasterten Höfen und ausladenden Veranden, mit Schaukelstühlen, Hängematten und Hibiskuskübeln. Purer Genuss belohnt das entdeckerische Reisen: Baden unter Palmen, Tafeln und Faulenzen in der Tropen-Idylle. Und Kakaopflanzungen gibt es auch noch. Auf Wunsch organisieren die Betreiber Besuche. Man darf sich fühlen wie ein Entdecker des Unbekannten. Kakao wurde in Venezuela hauptsächlich in der fruchtbaren Kordillere angebaut, die fast die gesamte Karibikküste des Landes rahmt. Lange Zeit führte er die Exportlisten an, bis der pflegeleichtere Kaffee die Oberhand gewann. Sein Vorteil im Zeitalter der Handelssegelschiffe lag auf der Hand, denn er ließ sich leichter lagern. Unter exportwirtschaftlichen Gesichtspunkten hatte auch der Venezuela-Experte Alexander von Humboldt durchaus Verständnis: >Die Bohne hält sich viele Jahre, während der Kakao, trotz aller Sorgfalt, nach zehn Monaten oder einem Jahr in den Magazinen verdirbt.< Und auch die Qualität des venezolanischen Kaffees ist exquisit. Jahrzehntelang war er bestimmend bei der Zusammensetzung milder Sorten. Und so robust, dass man ihn nicht nur entlang der Küste, sondern auch an den Hängen der Anden anbauen konnte. Die Hacienda El Carmen beispielsweise liegt etwa eine Fahrstunde von der quirligen hübschen Universitätsstadt Mérida entfernt. Sie hat genau das malerische Gardemaß an Authentizität, dass die Tschibo-Trendscouts sie für ihren Werbespot haben wollten. Erzählt unsere Betreuerin Maite, und es ist ihr fast peinlich, dass sie wegen ihrer dezent indianischen Gesichtszüge gleich mit in den Film musste. Wir trinken erst einmal einen kleinen, starken Kaffee auf der überdachten Terrasse des Haupthauses, das seine architektonische Struktur unverändert beibehalten hat. Im ersten Stock sind die Gästezimmer untergebracht, heruntergelassene Jalousien schützen tagsüber vor der flirrenden Hitze. In drei aufeinander folgenden, gepflasterten Patios werden die Kaffeebohnen zum Trocknen ausgebreitet und heute wie vor hundert Jahren mit feinzinkigen Rechen gewendet. Tagelang. |
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Mit Kakao und Kaffee verdient Venezuela nun seit fast einem Jahrhundert keine Brötchen mehr, sondern mit dem anderen schwarzen Gold, dem Erdöl, und vernachlässigt seine Landwirtschaft auf das Sträflichste, aber die Hüterinnen der einstmals so gerühmten Qualität trotzen mit Eigeninitiative. Es sind nur wenige, aber sie haben ihr Image aufpoliert und verschreiben sich oft des ökologischen Anbaues. Die Böden werden nicht brandgerodet, und die von ihnen bevorzugte Mischbebauung saugt sie nicht aus. Unter den schattenspendenden Ästen des weißblühenden Flamboyant Bukare gedeihen die Pflanzen besonders gut, so, wie es die Tradition will. Die Hacienda >El Bukare<
zwischen Río Caribe und San Juan de las Galdonas auf der Halbinsel Paria führt
ihren Namen deswegen wie ein Emblem. In einer altmodischen Vitrine lagern die
Köstlichkeiten, welche die Hacienda produziert, Sirup, Marmelade und Bonbons,
alles viel dunkler und würziger als die uns bekannte Industrieware. Mobiliar
wie aus der Gründerzeit und sparsame kunstgewerbliche Akzente zieren Haus und
die vier Gästezimmer in den fröhlichen Pastelltönen des venezolanischen
Kolonialstils. Abends sitzt man auf der Terrasse und atmet die sanfte Luft, die
von Blütenaromen parfümiert ist. Klimaanlage gibt es nicht, sondern stilechte
Deckenventilatoren, und einen kleinen Pool im üppigen Garten. Für alle, die es
interessiert, werden natürlich auch Transfers zu den wunderschönen Stranden
Medina und Pui Pui angeboten. . |
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Adressen: | ||
In Chuao La Casona del Río Zwischen Puerto Colombia und Santa Clara de Choroní La Casa de los
García Posada Humboldt In Santa Clara de Choroní: Posada Colonial Hostería del Mar In den Anden: |
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Hacienda
El Carmen E-Mail: hostecar@telcel.net.ve Website: http://www.haciendaelcarmen.com/
Die
Kaffee- Hacienda bietet Führungen nach Voranmeldung an. Man wohnt in
einfachen Zimmern im Jahrhundertwende-Stil direkt im Haupthaus. |
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La Sevillana Cabañas Xinia und
Peter Auf der Halbinsel Paria: Hacienda El Bukare Posada La Ruta del
Cacao Wendy-Pampa-Tours
bietet eine Kaffee- und Kakaotour durch Venezuela an, die mit dem Besuch
landschaftlicher Höhepunkte - Bahia de Mochima, die Höhle der
Fettschwalme, Salto Angel und Kavak - verbunden wird. |
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Wissen, aber ohne Gewähr
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Stand: 15. August 2005