Von Esteban Engel u.
Bernd Kubisch Heißer Karneval, Sonne, Strand, erfolgreiche Fußballer, schöne Frauen sowie ein bisschen Romantik und Abenteuer am Amazonas: Brasiliens
Tourismusverantwortliche pflegen dieses Image mit Erfolg. Und Veranstalter in aller Welt, vor allem auch in den USA, Deutschland, Portugal, Italien und
Frankreich, machen damit immer bessere Geschäfte. Diese Länder gehören mit Brasiliens Nachbarn Argentinien und Uruguay zu den wichtigsten Quellmärkten.
Manche Naturschönheit und manches lohnenswerte Projekt des nachhaltigen Tourismus bleibt bei dieser Art der Werbung auf der Strecke. Das freut jedoch
etliche Abenteuer- und Individualtouristen, die sonst keine so genannten Geheimtipps hätten.
Der südamerikanische Riesenstaat, fast 24-mal so groß wie Deutschland, hat viel mehr zu bieten als ewigen Sommer und einen kurzen Abstecher in die
Dschungelexotik. Das Amazonas-Tiefland im Norden, das Sumpfgebiet Pantanal, die Atlantik-Strände und der üppige Küstenurwald der Mata Atlantica im Süden
bieten ein vielfältiges Panorama von Landschaften und Destinationen.
Von etlichen Veranstaltern und vielen Urlaubern noch unbemerkt haben Privatwirtschaft, Behörden und Nichtregierungs-Organisationen (NGO) den
nachhaltigen Tourismus ausgebaut. In den letzten Jahren wurden landesweit viele Projekte entwickelt, die im Einklang mit Umwelt und Kultur stehen,
sozialverträglich sind und neue Jobs besonders für Einheimische in ärmeren und entlegenen Regionen bieten.
José Guillermo Condomí Alcorta, Präsident der Tourismusmedien-Gruppe Panrotas Editora (São Paulo), bestätigt diese Entwicklung. «In den letzten zwei,
drei Jahren ist im Tourismus generell und vor allem im Ökotourismus Positives bewegt worden. Aber es gibt noch etliche Hemmnisse, auch bürokratische»,
betont der Tourismuspionier, der über 35 Jahre im Geschäft ist.
Ökotourismus besser als sein Ruf
Eine stärkere Vermarktung des nachhaltigen Tourismus Brasiliens wünscht sich Andreas Gross, Vorsitzender der (deutschen) Arbeitsgemeinschaft
Lateinamerika. «Das bunte, schöne Brasilien wird erfolgreich umworben.» Aber beim Ökotourismus wird nach seinen Worten noch zu sehr das Feld anderen
Destinationen überlassen. Dazu zählt er das tropische, auch in den USA sehr beliebte Costa Rica, das amazonische Peru und Ecuador und das
Patagonien-Gebiet in Argentinien und Chile. Gegen das Klischee «in Brasilien wird der Amazonas-Regenwald niedergemacht» hätten die brasilianischen
Tourismusbehörde Embratur und Veranstalter gute Argumente, nämlich die positiven Fortschritte beim Naturschutz. «Aber hier wird nicht ausreichend
argumentiert», betont Gross. Er wünscht sich, «dass die Verantwortlichen auf diesem Gebiet stärker für ein besseres Image kämpfen und so auch bei
Ökotouristen mehr punkten.»
Greenpeace und andere Naturschutzorganisationen bringen Brasilien weiterhin manche unerwünschte Schlagzeile mit Berichten über illegale Rodungen. «Es
gab und gibt auch Drohungen und Gewalt gegen Greenpeace-Mitarbeiter, die das ungesetzliche Abholzen publik machen», betont Sprecherin Carmen Ulmen in
Hamburg. Besonders groß sei das Risiko für das Büro der Umweltschutzorganisation in Manaus am Amazonas. Ulmen sagt: «Wir erkennen an, dass es einige
Erfolge beim Umweltschutz gibt, aber wir müssen wachrütteln. Es stirbt weiter zu viel Wald.» Etliche Umweltexperten begründen die extreme Dürre in
Teilen des Amazonas im Herbst 2005, die ausgetrocknete Wasserläufe und großes Fischsterben brachte, nicht nur mit der Erwärmung des Atlantiks und den
vielen Wirbelstürmen, sondern auch mit dem Waldsterben durch Abholzung.
«Es gibt aber auch gerade am Amazonas viele positive Beispiele für nachhaltigen Tourismus». Das sagt Márcis Reston vom Embratur-Büro in Manaus. Sie
betont, dass Touristen nicht nur von gepflegten Kreuzfahrtschiffen und edlen Urwald-Lodges aus Bekanntschaft mit Flora, Fauna und Ureinwohnern machen.
Viele Besucher schlafen auch in schlichten Unterkünften und im Haus von Einheimischen in der Hängematte. «Was wir hier machen, das ist behutsamer
Tourismus, der allen zugute kommt», sagt João Wilson (17), der gerade einen großen Fisch ausnimmt. Seine Schwester Paula (20) hängt eine weitere
Hängematte auf der luftigen Terrasse des schwimmenden Holzhäuschens auf. Die Familie freut sich, wenn ab und zu Gäste nach Cachoeira do Castanho kommen.
Das Dörfchen liegt knapp zwei Bootsstunden von Manaus an einem der Seitenarme des Rio Grande. João sagt: «Du besuchst unsere Schule, unsere Kirche,
lernst hier Leben und Kultur kennen. Wir erfahren von Dir Dinge über Deutschland und Europa.» Und mit dem Geld für Übernachtung, Essen, Früchte- und
Souvenirkauf erhalten manche im Dorf ein zusätzliches kleines Einkommen. Der Teenager spricht auch passables Englisch und Spanisch. Der Vater von João
managt das wenige Kilometer entfernte Anaconda Floating Camp mit Hängematten- und Schlichtbett-Logis sowie gesunder Kost aus viel frischem Fisch,
exotischen Früchten und Gemüse der Region. «Das Internet hilft uns viel bei Werbung und Buchungen», sagt Euler Venancio im Büro von Green Planet Tours
in Manaus, einer der Verantwortlichen für die schwimmende Anaconda-Lodge.
Mehr Schutzgebiete
Der Amazonas-Regenwald mit etwa fünf Millionen Quadratkilometern Fläche ist ein atemberaubendes Naturerlebnis. Auch der lokale Anbieter Nature Safaris
setzt dabei auf Nachhaltigkeit. Das heißt auch, die Ideen der Urwaldbewohner bestimmen die Projekte mit, damit das Ökosystem von Amazonien erhalten
bleibt. Etwa eine Stunde von Manaus entfernt ist zum Beispiel die Amazon Ecopark
www.amazonecopark.com.br/
Jungle Lodge www.naturesafaris.com.br der Startpunkt für behutsame Urwaldausflüge.
Etliche Tourismusmacher im Lande bescheinigen Politikern und Regierung mehr Aktivitäten im Kampf gegen illegale Rodungen, für Umweltschutz und
Ökotourismus. Sie betonen jedoch auch, dass noch immer ein großer Teil der Umweltschutzaktivitäten von NGO's organisiert und finanziert wird. Greenpeace
unterstreicht, dass durch den Einsatz der Umweltorganisation allein in Brasilien 16 400 Quadratkilometer Wald unter Schutz gekommen sind. Es handelt
sich um das Gebiet der Deni Ureinwohner. Sie sind Experten in nachhaltiger Nutzung von Flora und Fauna. Die Indianer haben nun ein verbrieftes Recht auf
ihre angestammten Wälder. Illegales Abholzen wird strafrechtlich verfolgt.
Beim Weltumweltgipfel in Johannesburg verpflichtete sich die brasilianische Regierung, eine halbe Million Quadratkilometer Amazonas-Regenwald unter
Schutz zu stellen. Das ist eine Fläche etwas kleiner als Frankreich. Im Februar 2006 hat Präsident Luiz Inácio Lula da Silva per Gesetz wichtige
Waldschutzgebiete im Bundesstaat Pará, im Nordosten Brasiliens, durchgesetzt.
«Wir freuen uns riesig über die neuen Schutzgebiete», sagt Martin Kaiser, Waldexperte bei Greenpeace Deutschland. «Doch der Amazonas-Urwald braucht
einen richtigen "Green Wall", um langfristig erhalten zu bleiben. Neben Holzfällern seien es immer mehr «Agrarfirmen, die in den Urwald eindringen, ihn
abbrennen und unter anderem Soja anpflanzen». Und Tourismus- und Umweltexperte Euler betont: «Wir wünschen uns, dass der Schutz des Waldes weiter
verstärkt wird. Denn weniger Natur bedeutet weniger Lebensraum und weniger Tourismus.»
Bessere Vermarktung
Der Ökotourismus hat sich in den vergangenen Jahren zum Wachstumssektor in Brasilien entwickelt mit einem jährlichen Zuwachs von jährlich um 10 bis 15
Prozent. Diese Art des Fremdenverkehrs wird natürlich auch von Tourismusminister Walfrido Silvino dos Mares Guia unterstützt.
Das staatliche Unternehmen Embratur hat die Ausgaben für ihr gesamtes Auslandsmarketing in den letzten Jahren deutlich ausgebaut. Michael Bonin,
Managing Director von Detour in Rio de Janeiro, ein Incoming Veranstalter mit namhaften Kunden in Deutschland und der Schweiz, betont: «Wir hoffen, dass
dies Marketing auch den Ökotourismus weiter ankurbelt.»
Bonin sieht hier einen Nachholbedarf. «Die Vermarktung des nachhaltigen Fremdenverkehrs im Ausland ist noch ein generelles Problem» In den vergangenen
Jahren sei in Brasilien etliches investiert worden. Bonin nennt als Beispiele eine verbesserte Infrastruktur mit Öko-Hotels, -lodges und
Transportmöglichkeiten im Amazonasgebiet und in der dünn besiedelten Pantanal-Region. Embratur versucht nun stärker, auch eher unbekannte
Naturschönheiten zu vermarkten. Dabei gewinnt der Ökotourismus langsam an Bedeutung.
In den letzten Jahren hat sich die Tourismusbranche generell gut entwickelt. 2005 besuchten nach vorläufigen Angaben insgesamt 5,5 Millionen
ausländische Gäste Brasilien und damit vor allem Rio mit Copacabana, die Strände von Bahia, die Iguazú Wasserfälle und das Amazonasgebiet. Das ist ein
Plus von gut 14 Prozent. Die Einnahmen aus dem Tourismus stiegen von 3,2 Milliarden auf vermutlich knapp 4 Milliarden US Dollar im Jahr 2005.
Jeder Urlauber gibt inzwischen mehr Geld aus. Im Jahr 2003 waren es etwa 88 US Dollar pro Tag. Heute dürften es an die 100 sein. Die Regierung hofft,
dass der im Vergleich zum Dollar wachsende Wert des Real beim Tourismus aus Nordamerika keine Bremsspuren hinterlässt. Portugal und Deutschland liegen
mit je über 300 000 Einreisen pro Jahr als wichtigste Märkte Europas auf Platz drei und fünf in Brasiliens Gästestatistik.
Die Regierung in Brasilia unterstützt die Entwicklung des Fremdenverkehrs mit Finanzierungen, die über Investmentfonds abgewickelt und von Embratur
allein oder gemeinsam mit regionalen Entwicklungsgesellschaften verwaltet werden. Allerdings: Verglichen mit dem lateinamerikanischen Reisegiganten
Mexiko mit jährlich über 20 000 Millionen Besuchern bleibt noch viel Spielraum nach oben.
Nicht nur Amazonas
Das wohl wichtigste Ökoziel ist neben dem Amazonas-Gebiet das Pantanal im Westen des Landes. Das größte Schwemmland der Welt mit seinen beiden
Eingangstoren Cuiabá und Campo Grande bietet immense Artenvielfalt und Natur pur. Touristische Hauptstützpunkte sind neben den Lodges die Haupthäuser
von Landgütern, die Fazendas. Immer mehr Landwirtschaftsbetriebe schaffen sich mit einem angeschlossenen Gästebetrieb mit Unterkunft und Angeboten von
Naturwanderungen ein zweites Standbein. So bietet die Araras Lodge www.araraslodge.com.br im nördlichen Pantanal-Gebiet, rund 130 Kilometer von Cuiaba,
ein ganzjähriges Naturerlebnis. Im Jeep, zu Fuß und im Kanu können die Gäste die Flora und Fauna der Region erkunden.
Als erfolgreiche Verbindung von Naturschutz und Tourismus gilt das Projekt Fazenda Rio Negro im Pantanal www.fazendarionegro.com.br. Die
Umweltschutzorganisation Conservation International erwarb 1999 das Landgut mit 7.700 Hektar am Rio Negro und wandelte es in ein Schutzgebiet um.
Besucher können dort Schulter an Schulter mit Umweltschützern Flora und Fauna auch zu Pferd erkunden. Die Organisation arbeitet eng mit den
Einheimischen zusammen, um deren soziales Gefüge schützen zu helfen.
Im Schatten das Amazonas-Waldes hat sich das südlich gelegene Naturgebiet Alta Floresta als neues Ökoziel hervorgetan. Die Region im Bundesstaat Matto
Grosso bietet meist unberührte Natur abseits der großen Touristenströme. Bisher gibt es dort zwei gut ausgebaute Urlauberanlagen, das Resort Floresta
Amazonica und die Cristalino Jungle Lodge www.cristalinolodge.com.br.
Brasilien hat eine Küste von mehr als 7000 Kilometern. Die ist größtenteils von Hotelinvestoren und ausländischen Touristen noch unentdeckt. Die
bekanntesten Praias sind die berühmten Stadtstrände Ipanema und Copacabana in Rio. Touristisch erschlossen ist auch Praia do Forte im Norden von Bahia
mit einem Schutzprojekt für Meeresschildkröten.
Immer bekannter wird das Taucherparadies am Fernando de Noronha-Archipel. Es liegt eine Flugstunde von Recife entfernt und gilt als Destination mit viel
Zukunft. Seit 1988 ist das Gebiet Nationalpark. Streng wacht die brasilianische Umweltbehörde Ibama über die Einhaltung der Gesetze. An einigen Stränden
des 21 Inseln umfassenden Archipels ist als chemische Substanz auch Sonnecreme verboten. Der Schutz von jungen Delfinen und Schildkröten, die dort ihre
Eier auslegen, wird großgeschrieben. Maximal sind auf der Inselgruppe 460 Besucher täglich zugelassen. Für den Umweltschutz wird von jedem Gast eine
Gebühr von rund 10 Euro pro Tag erhoben. Zu den Anbietern gehört Atlantis Divers, die auch Tauchexkursionen zu Wracks in der farbenprächtigen
Unterwasserwelt organisieren.
Stimmen deutscher Veranstalter
TUI hat das Praia do Forte Eco Resort www.praiadoforte.com
im Angebot. Sprecherin Susanne Stünckel nennt die Anlage ein positives Beispiel für Naturschutz. Die Ferienanlage liegt in einem riesigen Park. Hier
werden bedrohte Meeresschildkröten gehegt und die Aufzucht gefördert.
Dieses Hotel hat auch airtours im Programm. Produktmanager Günter Rücker stellt fest, dass Brasilien neue Ökoangebote am Amazonas offeriert, ansonsten
aber weiter meist auf Massentourismus setzt und sich verstärkt im hochwertigen Hotelsektor engagiert
Neckermann Reisen empfiehlt Touristen, die an Land und Leuten interessiert sind, das Eco Paradise Hotel www.paradisecumbuco.com.br in dem Fischerort
Cumbuco an der Nordostküste. Das Hotel liegt vor einer riesigen Dünenlandschaft. An diese Küste kommen gern Wind- und Kitesurfer.
Auch der Aktivurlaub-Anbieter America Andina muss sich nach den Worten von Germaine Fonsenca stark engagieren, um die Naturschönheiten Brasiliens an die
Kunden zu bringen. Sie sagt: «Die Urlauber verbinden Brasilien an erster Stelle mit Copacabana und Zuckerhut. Brasilien sollte mehr die Werbetrommel
rühren für Amazonien und Pantanal»
Die großen Entfernungen Brasiliens und der recht lange Anflug sind nach der Einschätzung von Patrick Kleinkorres von Wikinger Reisen eine Hürde, um
reizvolle Naturziele im Landesinneren zu erreichen. Der Ökointeressierte muss auch zusätzliche Inlandsflüge einrechnen.
Brasilien zählt zu den absoluten Trendzielen bei Fernreisen. Die stark steigende Nachfrage wird durch die neue wöchentliche Condor-Verbindung nach
Salvador de Bahia unterstützt.
Für den individuellen Strandurlaub haben die Gäste die Wahlmöglichkeit unter verschiedenen Hotels in Salvador de Bahia, in der Umweltschutzzone an der
Costa do Sauipe und in Praia do Forte, das wahrscheinlich die Wiege des ökologischen Tourismus in Brasilien ist. Bereits seit 1972 setzt man dort auf
Naturschutz und Nachhaltigkeit. Es gibt keine Bauten, die höher sind als eine Kokospalme. Hinter den palmengesäumten Stränden mit Lagunen, Riffen und
Meeresschwimmbecken beginnt der Urwald mit dem Rio Pojuca und seinen Wasserfällen. Eine ideale Region für Ruhe suchende Gäste, die sich bei
unmotorisiertem Wassersport entspannen möchten und an naturkundlichen Führungen interessiert sind.
Eine besondere Empfehlung ist das Praia do Forte Eco Resort and Spa (fünf Sterne). Es liegt direkt am Strand und ist von fünf Naturschutzgebieten
umgeben. Das Resort wurde bereits mehrfach für das Engagement für den Umweltschutz ausgezeichnet. Zwei Wochen Exklusiv Genießen im Naturparadies können
mit Flug ab 2.115 Euro pro Person im Doppelzimmer mit Halbpension gebucht werden. Zwei naturnahe Ferienwochen im Hotel Iberostar Bahia (vier Sterne
plus) in Paria do Forte kosten mit Flug und All Inclusive Plus ab 1.705 Euro pro Person im Doppelzimmer. Die nach ökologischen Richtlinien erbaute und
geführte Anlage öffnet im April 2006. |