Lesetipp Literatur

Die Luftschlösser von Rio

Wortgewaltig, scharfsinnig und dabei oft wie mit dem blutendem Herzen eines hoffnungslos Verliebten geschrieben sind die "Geschichten aus Brasilien", die der bekannte Rio-Korrespondent Carl D.Goerdeler eher zärtlich als sarkastisch nach einer seiner Geschichten "Die Luftschlösser von Rio" betitelte. "Nähe und Distanz zu beiden Seiten des Atlantiks, das Wechselbad der Gefühle und Perspektiven empfindet der Autor als Bereicherung", heißt es Klappentext. Und so sind seine 31 Lesestücke: Vollgesogen von diesen Wechselbädern, denen sich auch kein Besucher Brasiliens entziehen kann, der mit offenen Augen durch diese oft als exotisch etikettierte Welt reist. Meisterlich hebt Goerderler die Widersprüche des Landes auf eine zeitlose Ebene und verwandelt sie in Charakterzüge Brasiliens wie sie selbst Kenner des Landes nie zuvor so klar und deutlich, so ungeschönt und zugleich so tolerant und liebevoll serviert vor sich sahen. Es ist zweifellos die Wahrheitsliebe bei aller Liebe zu Brasilien, die sein Buch zu einem Ereignis in einer immer einseitiger auf ein Ziel ausgerichteten Medienwelt macht. Obgleich geschult in Politik und Publizistik und erfahren in der Welt der Diplomatie, verlässt Goerdeler in seinen Geschichten radikal, fast ketzerisch die Ebenen der wohlfeilen Konversation und Belehrung und verwandelt Exkurse in die Geschichte, in die Wirtschaft, Politik und Soziales in lebenspralle Geschichten, die sich nicht nur mit Genuss lesen, sondern neben einer unglaublichen Fülle prägnanter Daten auch einen Blick in die Seelenbeschaffenheit dieses Landes bieten. Ob in "Brasil bleibt doch Brasil" oder in "Rebell im Regenwald", ob in "Das Recht auf Schönheit", in "Großer Himmel kleiner Leute" oder in "Urlaubskrokodile", immer ist er mit der Lupe unterwegs und setzt entlarvende Akzente. So bettet er einen Ausflug in die Welt der Politik und das andauernde Wirtschaftsdesaster Brasiliens in eine Erzählung vom Unglück, das die Fans einer Sambaschule ereilt, als vier Wochen vor dem Karneval sechs ihrer Punkwagen in Flammen aufgehen. "Sempre dá um jeito" - es gibt immer einen Ausweg, nichts ist unmöglich." Und tatsächlich: Am Ende rollen die nach unermüdlicher Arbeit wieder reparierten Wagen unter dem Jubel der Menge durch das Sambradrom. Und man kann sicher sein: Genauso war es. Goerdeler nutzt Ereignisse als Parabel und erfindet sie nicht, um einen magischen Realismus zu schaffen. Jede Mystizierung Brasiliens ist bei ihm das Ergebnis erlebter Wirklichkeit, ein Teil der von ihm an diesem Land so geliebten scheinbaren Widersprüchlichkeit - eben seiner Andersartigkeit. (gf)

Carl D.Goerdeler, geboren 1944 in Leipzig, lebt seit geraumer Zeit in Brasilien, wohin es ihn letztlich - nach dem Studium der Politik und Publizistik und einer Zeit als Produzent von Fernsehdokumentationen - durch seinen Ausflug in die Welt der Diplomatie verschlug, der ihn erst vier Jahre an die Botschaft von Tokio brachte und dann fünf Jahre nach Brasilia. Carl D.Goerdeler ist Korrespondent zahlreicher Zeitungen, außerdem Verfasser einiger Reiseführer. Er hat in Rio Wurzeln geschlagen und nicht die Absicht, in die "kalte Heimat" zurückzukehren.

"Die Luftschlösser von Rio"
Geschichten aus Brasilien
1.Auflage 2000,

164 Seiten
St.Augustin: Gardez! Verlag
ISBN
3-89796-029-X
Preis: 29,90 Mark,
bzw. EUR 15,28

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Stand: 15. May 2002
 

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