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"Karnevals Königinnen" 2009, Eliana Olivera (mitte) und ihre
zwei Stellvertreterinnen: Cristina Ibarra (re) und Leticia Etcheverry (li). |
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"Reina de las Llamadas" 2009, Paula Juvencio (mitte), und ihre
zwei Stellvertreterinnen: Camila Vidarte (re) und Stephani Acosta (li). |
Montevideo,
im Januar 2010 Ein ganz besonderer Karneval steuert in diesem Jahr in Montevideo seinem Höhepunkt zu, denn mindestens bis zum Faschingsdienstag ist die
Metropole Uruguays noch Iberoamerikanische Karnevals-Hauptstadt 2009-2010. Da Aschermittwoch aber niemals wirklich Schluss ist mit den Feiern in der
uruguayischen Hauptstadt, wird der Karneval vermutlich auch in diesem Jahr wieder seinem Ruf als „längster Karneval der Welt“ gerecht. Sehenswert sind
neben den großen Paraden vor allem die „Tablados“, das sind Bühnenshows in Theatern, und Aufführungen in Kneipen auf der Straße.
Bekanntlich
herrscht auf der südlichen Erdhalbkugel Hochsommer, wenn in Europa Winter ist. Und vielleicht sind es ja gerade die warmen Außentemperaturen, die auch
die 'Temperaturen' der Faschingsveranstaltungen oft bis in den roten Bereich ansteigen lassen. Manche nennen den Karneval in Montevideo die „kleine
Schwester“ des berühmten Karnevals in Rio. Aber „kleiner“ sind hier nur die kommerziellen Dimensionen. So sieht man in Montevideo keine Wagen, Kostüme
und Ausstattungen, die Tausende kosten, außerdem nur ganz selten, wenn überhaupt, blanke Busen. Alles spielt sich mehr auf der Erde ab, auch der
Fantasie wird mehr Raum gelassen. Dennoch scheint es oft, als ob Rhythmus, Lebensfreude und Minitangas in Montevideo und nicht in Rio erfunden worden
wären. Und natürlich findet der uruguayische Karneval nicht nur in der Kapitale statt. Jeder größere Ort hat seine Karnevalsumzüge und Tablados, und
jedes Departamento kürt seine Karnevalsköniginnen...
Eine Besonderheit des uruguayischen Karnevals
ist, dass er viele Wochen lang intensiv gefeiert wird. Deshalb gilt er als der längste Karneval der Welt, obwohl auch er offiziell nur vom 11.11. bis
Faschingsdienstag dauert. Aber in den sommerlichen Temperaturen finden die Darbietungen immer ein Plätzchen und auch noch Termine jenseits des
Aschermittwochs. Fast täglich kann man Straßen- und Bühnenauftritte ("Tablados") erleben, v.a. im Freiluft-Sommertheater von Montevideo ("Teatro de
Verano 'Ramón Collazo'" im Parque Rodó), dazu viele improvisierte Darbietungen auf öffentlichen Plätzen, in Parks, Kneipen und anderen Orten. Und
schließlich gibt es in Montevideo sogar zwei Karnevale: einen 'schwarzen' und einen 'weißen'. Beide vereinen sich in einem großen Finale. |
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Die Murgas gehören zu den wichtigsten Elementen
uruguayischer Identität. |
Stets treten Karnevalsgruppen der
unterschiedlichsten Kategorien an. Nach genau festgelegten Richtlinien prämiert am Ende eine Jury – ähnlich wie in Río – die beste Gruppe jeder
Kategorie mit attraktiven Geldpreisen. Dabei werden die Auftritte im "Teatro de Verano" und die bei den Karnevalsumzügen in Rechnung gestellt.
Besonders charakteristisch für Uruguay sind die "Murgas", eine Art musikalisches Kabarett spanischen Ursprungs mit politischem und schwarzem Humor. Die
Murgas feierten 2009 ihr 100 jähriges Bestehen. Denn die erste Murga war 1909 gegründet worden.
Die Murgas sind Volkskultur und rangieren –
neben Mate-Tee,
Asado und
José Artigas – ganz
vorn unter den wichtigsten Elementen uruguayischer Identität. Hier machen der Nachbar mit und der Arbeitskollege. Raus kommt dabei eine Art
"Sozialkritik von unten", den Büttenrednern in Deutschland entfernt vergleichbar. Aber Murgas tragen bunte Kostüme und Kopfbedeckungen, haben bemalte
Gesichter, bewegen sich synchron, erzeugen Melodien und singen einzeln oder im Chor Worte dazu. Die Murgas sind übrigens fast ausschließlich
Männersache. Die Frauen sind vorwiegend im Publikum anzutreffen. Dank der gestiegenen Popularität dieser Kunstform fanden Murga-Elemente inzwischen auch
Eingang in die Welt des klassischen Theaters und die hiesige Popmusik.
Typisch für den Karneval in
Uruguay sind ferner die "Lubolos". Ihre afrikanisch geprägte, farbenprächtige und sinnliche Musikpantomime "Candombe" gehört zweifellos zu den
attraktivsten Bestandteilen des uruguayischen "Carnaval". Schließlich nicht zu vergessen: Die vielen "Humoristas", "Parodistas" und "Revistas", die
alles Mögliche mehr oder weniger geistreich durch den Kakao ziehen. Und zu allem ertönen heiße Rhythmen, die Akteure und Zuschauer anheizen. |
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Den
Höhepunkt des Karnevals bilden am Ende zwei große Paraden: Das "Desfile de las Llamadas" ("Parade der Rufe"), der 'schwarze' Umzug (mit erheblichen
'weißen' Beimischungen), der in den traditionellen Stadtvierteln "Sur" und "Palermo" gefeiert wird und sich wegen der großen Zahl der teilnehmenden
Gruppen schon mal über zwei Tage erstrecken kann, und die 'weiße' Karnevalsparade (mit wichtigen 'schwarzen' Zutaten), das "Desfile de Carnaval“, die
traditionell auf der wichtigsten Straße Montevideos zelebriert wird, der "Avenida 18 de Julio".
Auf dem "Desfile de las Llamadas" kommt man
sich wie in Klein-Río vor, wenn man all’ diese berstende Lebensfreude, die vielen tanzenden Menschen, die Farben, die Rhythmen, die zuckenden Hüften und
die leicht bekleideten Mulattinnen und Nicht-Mulattinnen sieht bzw. hört. Die teilnehmenden Gruppen umfassen meist mehr als 100 Akteure. Davon gehören
rund die Hälfte zu den jeweiligen Trommlerkorps ("Cuerda de Tambores"), die mit ihren Tamboren den unverwechselbaren akustischen Hintergrund des
uruguayischen Karnevals erzeugen.
Angehörige aller sozialer Schichten reißen sich darum im "Desfile de las Llamadas" als Tänzer/in oder Trommler ("Tamborilero") mitmarschieren zu dürfen.
Vom einfachen Zollagenten bis zur Prinzessin Laetitia D'Aremberg, Eigentümerin der uruguayischen Muster-Estancia "Las Rosas" in Florida und Präsidentin
von Mitsubishi Motors Uruguay, kann man dort alle und jeden antreffen. |