Deutsche Spezialitäten in dünner Andenluft

Von Bernd Kubisch

Mérida - Eine kleine Gruppe junger Gastronomen aus Franken und der Schweiz kümmert sich in den Anden am Fuße der höchsten und längsten Seilbahn der Welt um das leibliche und nächtliche Wohl internationaler Urlauber. Der 30jährige Robert Ohr könnte auch im malerischen Touristenort Dinkelsbühl (Landkreis Ansbach) im elterlichen Restaurant Gäste aus Japan und den USA bewirten. Den Franken aber reizt das geschäftliche Neuland zwischen den Berggipfeln in Venezuela.

Auch seinen Heimatgefährten und Koch Jürgen Hofmann (31) aus Wildenholz bei Feuchtwangen zog es für einige Zeit nach Merida. Die Stadt liegt am östlichen Zipfel der südamerikanischen Andenkette und wird umrahmt von bis zu 5 000 Meter hohen Gipfeln, auf denen der ewige Schnee schimmert. Hier startet die Seilbahn (Teleferico) der Rekorde: Sie führt von Merida in 1 577 Meter Höhe bis auf den Pico Espejo, der 4 765 Meter misst.

Die beiden Franken und ein paar Freunde sind in der Berg- und Universitätsstadt an zwei Pensionen, einem Restaurant und einer Disco beteiligt. Warum Merida und nicht eine risikolose gesicherte Existenz in der alten Heimat? Ohr, Gastronom und gelernter Landwirt: «Ich will die Herausforderung. Einen guten Job würde ich in Deutschland immer finden.»

Alle Investitionen des Teams sind wohl überlegt. In Venezuela sind Inflationsrate und Kreditzinsen astronomisch hoch. Die Geschäftsleute tauschen ihre Einnahmen in Bolivares möglichst rasch in harte Währung. Ein großer Teil der Gäste kommt ohnehin aus Deutschland und zahlt in Mark oder Dollar.

Petra und Marijan Hercek aus Hessen waren am kleinen Airport in Merida ganz überrascht, als sie in Deutsch angesprochen wurden. «Wenn die Zimmer nicht alle voll sind, fahre ich an den Flughafen», erzählt der Schweizer Markus Twerenbold, wie der Dinkelsbühler Ohr Mitinhaber der «Casa Alemania». «Ein guter Service», lobt das Paar aus Frankfurt und genießt das reichhaltige Frühstück. Demnächst soll es auch hausgemachte fränkische Wurst geben.

Ohr und Hofmann kommen in der «Casa» gerade die Treppe runter und wollen die aktuellen Fußball-Ergebnisse wissen. Die Pension hat Computer mit Internetanschluß sowie Kabelfernsehen mit dem Programm der Deutschen Welle. «Wir wissen, was in Deutschland passiert», sagt der Gourmetkoch, der erst im Herbst 1997 nach Merida kam und nicht weiß, wie lange er bleibt.

Im neuen Restaurant «La Guacamaya» will er Touristen und Venezolaner langsam an seine Feinschmeckerküche heranführen. Sautierte Nierchen sind für umgerechnet acht Mark im Angebot. Und Freund Robert Ohr stellt klar: «Pommes gibt es bei uns nicht, aber einen Stammtisch». Zudem kommen auch etliche Einheimische, die an der deutschen Sprache interessiert sind. Die beiden Franken und ihre Freunde sprechen inzwischen auch gut Spanisch.

In der «Casa Alemania» und der schlichteren «Posada Alemania», wo vor allem Globetrotter und Rucksackreisende absteigen, werden auch preiswerte Ausflüge vermittelt: Im Jeep zu entlegenen Andendörfern, Ausritte zur Schwarzen Lagune, Berg- und Gletscherwanderungen sowie Fahrten mit der Seilbahn, die aber wegen zahlreicher Wartungsarbeiten längst nicht immer in Betrieb ist. Auch wegen der vielen Studenten gibt es in Merida reichlich Restaurants, Kneipen und Discos. Das Nachtleben ist unterhaltsam. Wer an Venezuelas Küste Urlaub machen will, kann auch in der «Posada Alemania» in Chichiviriche absteigen, ebenfalls ein Angebot des Investorenteams aus Europa.


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Stand: 09. May 2002  

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