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Die Mayastätten Yaxha und Topoxte entführen in die Zeit der Konflikte zwischen Tikal und Calakmul – und in die Vergangenheit der Provinzhauptstadt Flores. | |||||
Von Gesine Froese, Dezember 2010 | |||||
Wind
streicht durch die Baumkronen und laut knirscht der Kies unter den Schuhen. Sonst ist es still in Yaxha. So still, dass sich die Phantasie selbstständig
macht und hinter den freigelegten Monumenten der Mayastätte alles Mögliche vermutet, nur nichts Gutes. Und dann durchschneidet die Luft auch noch ein
unheimliches Dröhnen. Es klingt als würde ein Lastwagen in einer hallenden Höhle Pflastersteine von der Ladefläche rutschen lassen, erst ein paar und
dann die ganze Ladung in einem Schwung, am Ende noch mal ordentlich nachgerüttelt. |
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Zeuge früher Verwüstungen: Umgestürzte Stele in Topoxte |
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In seiner Blütezeit von 700 bis 900 lebten in Yaxha etwa 35 000 Menschen, die meisten am Stadtrand in Hütten aus Holz und Adobe mit Palmdächern, die aber erbaut waren auf Steinfundamenten. Im Zentrum wohnte die Elite. Und sie benutzte die gleichen Wege wie wir während unseres Besuches benutzen. Mit noch grob erkennbaren Randsteinen durchqueren sie das Allerheiligste von Yaxha, beschattet von Ramónbäumen (Brotnussbäumen), die zu den wichtigsten Nutzpflanzen der Maya gehörten. So kommen wir zum Königpalast, zum Astronomischen Komplex, den zum Teil künstlich angelegten Wasserreservoirs, den Zeremonienstätten mit ihren Tempeln und Ballspielplätzen. Vor einem erklärt Miguel die Spielregeln und endet ungerührt: „Der Verlierer wurde geopfert.“ |
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Natürlich. Mit Blut stimmten die Maya ihre Götter wohlwollend. Und sie hatten viele Götter und viele blutdurstige. „Erst spät opferte man in den Hochtempeln auf den Pyramiden“, berichtigt Miguel die vorherrschende Meinung, Menschenopfer hätten immer schon auf den Tempeln stattgefunden. Einige besteigen wir und das ist, anders als in Tikal, keine Schwerstarbeit, denn sie sind niedriger und auch die Stufen der Freitreppen flacher. Bei den nicht freigelegten Tempeln überbrücken steile Holztreppen die Distanz bis zum Hochtempel. Überall erklären (auf spanisch) Schilder mit Modellabbildungen Funktion und Bedeutung. Und ab und zu zeugen vor den Tempeln kreisrunde Feuerstellen mit Kohlestücken davon, dass es den Nachfahren der Maya in Guatemala (anders als in Mexiko) wieder erlaubt ist, ihre Rituale zu zelebrieren. Vorausgesetzt natürlich sie sind unblutig. |
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Das Forschungsprojekt "Triángulo Cultural“ | |||||
Zugänglich gemacht für Besucher wurde Yaxha, mit kräftiger deutscher Finanzhilfe, während des bisher größten Forschungsprojekts der Mayawelt: des Projekts „Triángulo Cultural“ (1987 bis 1997); es umfasste neben Yaxha auch die Mayazentren Nakum und Naranjo sowie dreizehn Unterzentren. Alle sind heute zu einem Nationalpark zusammengefasst und Teil des Maya-Biospärenreservats. Miguel erinnert sich: „Zwölf Wissenschaftler und 300 Arbeiter waren beteiligt.“ Eine wissenschaftliche Dokumentation, in spanischer Sprache in Deutschland erschienen, ist seitdem sein größter Schatz. Stolz zeigt er das dicke Buch und schlägt dann eine Übersichtskarte der Mayastätte Topoxte auf, die im Yaxha-See liegt. „Da fahren wir gleich noch mit dem Boot rüber“. | |||||
Zeichnung aus dem Buch "El Sitio Maya de Topoxté" Mit freundlicher Genehmigung Verlag Philipp von Zabern© | |||||
Doch vorher verschaffen wir uns noch einen Überblick und nehmen wir die Treppe zur Plattform des höchsten Tempels, von Tempel 216 oder de las Manos rojos, der roten Hände. „Der Name rührt von Malereien her“, erklärt Miguel, „die man bei der Restaurierung fand.“ Der Blick von oben ist der Höhepunkt jedes Rundgangs. Man sieht nicht nur über das Urwalddach, sondern auch weit über die beiden Seen und bei klarer Sicht bis zu den Nachbarmayastätten Holtún und Nakúm. Miguel schwelgt in Erinnerungen. „Hier oben den Sonnenuntergang hinter dem See zu beobachten, ist ein unglaublich mystisches Erlebnis“, erzählt er und schmunzelt versonnen, „vor allem wenn man zu zweit ist“. | |||||
Blick vom Tempel 216 in Yaxha | |||||
Auch Topoxte können wir schon gut von der Plattform des Tempels 216 sehen. Miguel macht uns neugierig. „Ich nenne diese Mayastätte gern ‚Meetingpoint der Oberklasse’“, sagt er. Erwartet uns eine Art Maya-Kongresszentrum? Wo Bündnisse bekräftigt, Hochzeiten angezettelt, Bankette zelebriert und die Götter mit Menschenopfern bestochen wurden? | |||||
Topoxte - gerettete Mayastätte der Postklassik | |||||
Unten am See stehen rustikale halboffene Pfahlbauten, extra errichtet für Besucher. In einer speist gerade
eine Reisegruppe. Am Ufer liegen Boote für die Überfahrt, ein Fährmann eilt herbei und schon fahren wir über den See. Krokodile, die im See leben
sollen, sind nicht zu sehen. In der Mittagshitze halten sich sogar die Vögel versteckt. Auch am Ufer von Topoxte ist zunächst außer Gestrüpp nichts zu
sehen. Dann erscheinen Reste von Plattformen zwischen Baumwurzeln, zerbrochene Stelen unter Moos, und dazu ist der Boden übersät von den haselnussgroßen
Früchten des Brotfruchtbaums. Das Fundament der Plaza liegt leicht erhöht, die Tempel sehen aus wie mühsam der Vegetation entrissen, geflickt und
gestützt. Miguel erzählt von Grabräubertunneln, die manche Tempel fast zum Einstürzen gebracht hätten, und dass Topoxte deshalb die erste
Mayastätte des Projekts gewesen sei, der sich die Archäologen damals gewidmet hätte. |
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Rückzug nach Tayasal bzw. Flores | |||||
Miguel datiert die Stätte von 15 v.Chr. bis 1450. „Wenig später wurde sie verlassen“, sagt er und
greift zu seiner „Bibel“, um uns Zeichnungen von Topoxte zu zeigen. „So ähnlich muss auch Tayasal auf der Insel im Lago Petén Itzá ausgesehen haben, als die
Spanier kamen“, sagt Miguel, „die Insel, auf der heute Flores liegt“. Die Wohnhäuser mit geneigten Dächern gedeckt, die blendenden Tempel gekachelt und die
Mauern hoch. „Vermutlich konzentrierte sich in Topoxte die Elite der Umgebung“, berichtet Miguel, „bevor sie dann nach Tayasal umzog.“ So schließt sich für uns der Kreis am Ende unseres Besichtigungsprogrammes. Zurück in Flores, erleben wir am Abend eine Überraschung. Festlich speisen wir direkt am Inselufer im Raices and Grill, als plötzlich das Licht erlischt und unter Trommelwirbeln aus dem Dunkel des Sees Kanus mit prächtig zu Maya-Kriegern herausgeputzten Männern vorbei gleiten, geheimnisvoll von Scheinwerfern beleuchtet, um einem Floß mit dem Gott-König Platz zu machen. Es ist ein inszeniertes Kulturevent. „Can Ek“ schallt es aus dem Lautsprecher, „war der letzte König dieser Insel, das bedeutet ‚Der Stern Zwanzig Schlange’“. Und dann erzählt der Sprecher die Geschichte von den christlichen Priestern, die der historische Can Ek freundlich empfing, noch bevor die spanischen Eroberer eintrafen. Man kann sie nachlesen, denn einer der Priester schrieb sie auf. Die Begegnung mit Can Ek schildert er so: „Als er uns sah, hob er den Kopf in der Art einer sehr würdevollen Begrüßung. Und er sagte, wir sollten mit ihm kommen, um zu der Stadt Tayasal zu gehen. Und Cak drehte sich sehr stolz um und zeigte keinerlei Ehrerbietung gegenüber irgend jemandem und stieg in das Kanu....“ |
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Beschwörung alter Zeiten vor Flores im Lago Petén Itzá | |||||
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