Fenster schliessenCariLat-Karibik-Lateinamerika-Magazin Jamaika

Denkt an das Trinkgeld!

 25 Jahre nach Bob Marleys Tod zieht es die Reggae-Pilger nach
Jamaika zu den Ursprüngen der Legende

  Von Hans-Ulrich Dillmann

hey,joe © N.Bruhn/CariLat

„Hey, Joe“

     In der Schlange vor der Passkontrolle steht ein etwa 50 Jahre alter Gentleman im grauen Zweireiher. Nur die Haare wollen so gar nicht zu der eleganten Erscheinung passen: Sie sind zu Dreadlocks verfilzt, das grüngelb-rote Band kann die Löwenmähne kaum bändigen.
Vor der Abfertigungshalle auf dem Flughafen von Kingston sitzt eine Gruppe von jungen Männern mit ähnlicher Haarpracht. Aus ihrem Ghettoblaster tönt rhythmisch Reggae, eine konisch gedrehte Zigarette macht die Runde. „Hey, Joe“, sagt einer der Kiffer und bietet seine Traghilfe an.
Joe und Jane, so werden Touristen der Einfachheit halber angesprochen. Willkommen in Jamaika – im Reggae-Land. In diesem Jahr sind es wieder ein paar mehr. Denn am 11. Mai wurde der 25. Todestag von Bob Marley gefeiert. „Do they Reggaz“. Bob Marley hat die typisch rhythmische Klangfolge zwar nicht erfunden – der Begriff stammt vom legendären Frederick „Toots“ Hibbert–, aber der berühmteste Sohn der drittgrößten Karibikinsel hat den Landesnamen Jamaika untrennbar mit den sozialkritischen Tönen verbunden: „Get up, stand up, stand up for your right, get up, stand up, don’t give up the fight.“

   

Jede Menge Gold und Platin im Museum

Timothy White "Catch A Fire" Bob Marley Neuaufl. 2002 Hannibal-Verlag ©

Timothy White "Catch A Fire" Bob Marley
Neuaufl. 2002 Hannibal-Verlag ©

     Reggae-Musik empfängt den Besucher auch im ehemaligen Wohnhaus von Bob Marley in New Kingston. Und ein Hinweisschild: „Fotos und Tonaufnahmen verboten“. Da hört das coole „no problem, man“ auf. Wer das rebellische Erbe verwaltet, schützt sich vor nicht lizenzierten Mitprofiteuren. Das zweigeschossige Holzhaus mit dem roten Wellblechdach und den kleinen Lamellenfenstern, diente Marley und seinen Musikern als städtische Unterkunft und beherbergt heute das Marley-Museum.
Treppauf, treppab geht es vorbei an goldenen und platinfarbenen Schallplatten, 3D-Postern und durch die Küche, in der „Marley himself“ seine vegetarische Kost zubereitete. Den Abschluss bildet der Besuch des hinteren Nebengebäudes, vor dem coole Rastas sitzen und den beiden kurz berockten Girls aus England bewundernde Blicke und ein paar anerkennende Worte gewähren. Aus vier Lautsprechern tönt der Videomitschnitt vom legendären „One Love Peace Concert“, bei dem es Marley gelang, die Vertreter der damals rivalisierenden sozialistischen und nationalistischen Parteien an einen Tisch zu bringen und während des Konzerts auf der Bühne zu einem historischen Versöhnungshändedruck zu bewegen.

   

 

 

Heute steht Reggaeton auf der Wunschliste der DJ’s
 

Rastafaris leben einfach, als Bauern und Fischer  © N.Bruhn/CariLat

Ware Rastafaris leben einfach, als Bauern und Fischer

     Wahre Rastafaris leben einfach, als Bauern und Fischer, fern vom touristischen Trubel. Gemeinsam ist ihnen die Verehrung des 1974 von einer linken Revolutionsbewegung gestürzten und 1975 verstorbenen äthiopischen Kaisers Haile Selassie Ras Tafari als „direktem Nachfahren König Salomons“. Sie bezeichnen ihn als ihren Gott „Jah“.
Musikalisch sind die Ghettokids, die neuzeitlichen Brüder und Schwestern des „Ehrenwerten Robert Marley“, wie ihn die jamaikanische Regierung posthum geehrt hat, längst zu anderen Ufern aufgebrochen. Im Sprechgesang formulieren sie ihre Wut über die Lebenssituation. In den kleinen Discoschuppen werden zum „Friday run“, dem Wochenend-Abhängen, schnellere Rhythmen gespielt. Reggaeton, die in Puerto Rico entstandene Fusion aus jamaikanischen, dominikanischen und kubanischen Klangfolgen, bestimmt die Wunschliste der DJ’s, die in kleinen Clubs wie dem „Asylum Night Club“ auf dem Knutsford Boulevard auflegen oder im „Pepper’s“ an der UnderWaterloo Road – wer da auf dem Laufenden sein möchte, muss sich in den Serviceteil des „The Gleaner“ versenken.

    
     W
er Alternative Besichtigungstour in Nine Mile

     Knapp 60 Kilometer weiter nördlich und zwei Stunden Fahrstrecke später: Das wohl Auffälligste im 500-Seelen-Weiler Nine Mile ist die kleine Schule am Ortseingang. Ein Schild verweist auf die Cedella-Marley-Grundschule, benannt nach der Mutter des berühmten Sohnes dieser Einöde. Drei Dutzend eher ärmliche Häuser, eine schmale Straße mit löchrigem Asphalt, ein vegetarisches Restaurant, vor dem ein Rasta-Man schon seit Tagen vergeblich auf Gäste wartet. Kaum angekommen, möchte man ob der Trostlosigkeit gleich wieder umkehren, zumal links plötzlich ein Schild hämisch verkündet: „Sie sind bereits am Eingang vorbeigefahren.“
Eine Gruppe Jungs blockiert den Zugang und lädt unmissverständlich zu einer „alternativen Besichtigungstour“ gegen „five Bucks“, fünf Dollars: ein paar banale Ganja-Marihuana-Pflanzen, deren Anbau illegal ist, und das Geburtshaus mit den roten Dachschindeln aus der Ferne. Jonathan Fossy, der „Original Bob Marley Tour Guide“, empfängt die kleine Besuchergruppe auf dem mit Stacheldraht umzäunten Gelände. Schlecht ausgesteuerter Reggae beschallt das Gelände. „Hier hat Cedella Marley Booker am 6. Februar 1945 Baby Bob zur Welt gebracht“, erklärt Fossy, der mit Marley zusammen in die Schule gegangen sein will. Seine Hand weist auf ein zweigeschossiges Holzhaus, dessen Fensterläden geschlossen sind.


     „Grün, das ist Mutter Afrika“

     Cedella Booker lebt derzeit in Äthiopien. Wenige Monate nach Bobs Geburt zog die Mutter ein paar Meter weiter den Hügel hinauf, heute „Mount Zion“ genannt. Fossy singt atonal „Zion on the top“, eine Zeile aus einem Marley-Song. Auf dem Zionshügel treffen sich jedes Jahr Tausende von Rastafari-Jüngern und Reggae-Fans, um am 6. Februar den Geburtstag des im Mai 1981 in Miami an Krebs verstorbenen Musikers zu feiern. „Bob lives“ – Bob lebt: Aus eingefärbten Steinen ist der Slogan in einem kleinen Garten auf dem Gelände geformt. „Rot steht für das Blut der Menschen. Das bist du selbst“, sagt Fossy mit heiserer Stimme. „Gelb symbolisiert die Sonnenstrahlen, die Seele, und Grün, das ist Mutter Afrika.“
Die Zuhörer nicken wissend. Ein Großteil der über mehrere Hütten verteilten ehemaligen Wohnräume der Marleys ist erhalten geblieben. Obwohl Marley bereits mit 13 Jahren nach Trench Town, dem Armenviertel in der Hauptstadt Kingston, umgezogen war, kehrte er später immer wieder hierher zurück. Auch das winzige Häuschen, in dem das Schlafzimmer mit einem schmalen Eisenbett und einer dünnen Überdecke steht, animiert Fossy zum Reggaegesang: „We’ll share the shelter of my single bed.We’ll share the same room. „Is this love (...) that I’m feeling.“ Zeit über die Virilität des mit 36 Jahren Verstorbenen zu sprechen: „Elf Kinder hat er offiziell gehabt“, bilanziert der Fremdenführer. „Aber Bob war in 52 Ländern, und dort war es öfters kalt . . .“.


     „Er war ein guter Hirte...“

     Auf einem Stein vor der Tür soll Marley nächtelang kiffend meditiert haben. „Der Stein war mein Kopfkissen, singt Bob in ’Talking Blues’, erzählt Fossy und drängt die Gruppe langsam zu einer kleinen Kapelle. „Schuhe ausziehen! Keine Fotos!“ Schließlich sind die teuer im Museumsshop käuflich zu erwerben. Der „King of Reggae“ ist in einem Sarkophag aus weißem, blank poliertem Bruchmarmor aus Äthiopien eingemauert. Ein Buntglasfenster in Form eines Davidsterns an der östlichen Stirnseite illuminiert das kleine Mausoleum.„Er war ein guter Hirte und wir sind die Schafe“, sagt Fossy.
Ende der Besichtigung. Neue Besucher sind eingetroffen. Am Ausgang von Mount Zion erinnert ein Schild: „Denkt an das Trinkgeld!“ „Hey, Joe, willst du kein Souvenir kaufen?“, ruft der Verkäufer des Besucherzentrums dem Davoneilenden nach. „Get up, stand up.“ Weg von hier…

 

 Film: Bob Marley - Get Up Stand Up Live In Dortmund, Germany - From: MentalKarmacoma (youtube)

 

 

Informationen

Sehenswürdigkeiten:
Bob Marley Museum, 56 Hope Road, Mo-Sa 9:30 (erste Führung) -16 Uhr (letzte Führung),
Eintritt 20 US$, www.bobmarley-foundation.com/museum.html;
Tuff Gong Recording Studios, 220 Marcus Garvey Drive, Besichtigung nur nach
Anmeldung 001876/923/93 80, www.tuffgong.com;
Bob Marley Centre and Mausoleum, Nine Mile, von Norden über Browns Town und Alexandria, aus Kingston
über Spanish Town und Claremont zu erreichen
(schlechte Wegstrecke).

Literatur:
„Bob Marley – Die Legende“, von James Henke,
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, 2006, 29,90 €
„Jamaika“, von Peter Paul Zahl, C.H. Beck, 2002, 12,90 €
Bob Marley „Catch A Fire" von Timothy White, Verlagsgruppe KOCH, 15,50 €
„Trench Town sehen und sterben. Die Bob-Marley-Jahre“,
von Helene Lee, Hannibal 2005, 6,40 € (Amazon)
Marco Polo Reiseführer „Jamaika“, von Uschi Wetzels, Hans-Ulrich Dillmann, MAIRDUMONT, 2009, 9,95 €

Auskunft:
Jamaica Tourist Board (JTB), Schwarzbachstraße 32, 40822 Mettmann
Tel. 02104/83 29 74, Fax 91 26 73,
jamaica@travelmarketing.de, www.visitjamaica.com


Fotos © N.Bruhn/CariLat

CariLat-Karibik-Lateinamerika-Magazin


Alle Angaben nach bestem Wissen, aber ohne Gewähr
Copyright © CariLat. All rights reserved.
Stand: 18. Dezember 2012
  

© webDesign by Webmaster CariLat