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Karibik - Jamaika

 

  

 

 

 


         

Bamboo-Rafting auf Jamaika
Cool runnings!
Von Dagmar Gehm


Patrice Wymore Flynn, die letzte Ehefrau des Schauspielers Errol Flynn

Patrice Wymore Flynn, die letzte Ehefrau
des Schauspielers Errol Flynn

     CariLat.de/ Oktober 2011. Noch kommt niemand zur Ruhe, noch sind alle viel zu aufgepeitscht vom Rhythmus des Reggae, der aus allen Lautsprechern auf Jamaika schallt, aus den Radios von Bussen und Taxis und in den open-air-Clubs sowieso. Doch jedes Eintauchen der langen Stake lässt uns ein bisschen mehr herunter fahren, bis der Herzschlag sich ganz diesem neuen, unaufgeregten Rhythmus anpasst, den der träge Fluss diktiert und dem das Bambusfloß gehorcht.

     Port Antonio liegt im Nordosten der Karibikinsel. Ein paar schmucke Kolonialgebäude gibt es dort zu sehen und einen Markt voller tropischer Früchte, lokaler Handwerkskunst und T-Shirts mit dem Konterfei des Nationalidols Bob Marley. Ein bisschen außerhalb dient die Bilderbuchbucht Frenchman’s Cove als Kulisse für Modeaufnahmen mit berühmten Models wie Claudia Schiffer und Heidi Klum.

    Teure Yachten dümpeln in der Marina Errol Flynn, und wie aufs Stichwort erscheint dort Patrice Wymore Flynn, die dritte und letzte Ehefrau des amerikanischen Schauspielers. Eine Stilikone ist die 84-jährige, die selber einmal Schauspielerin war, noch immer. Ein Hauch von Hollywood umweht die schmale Gestalt mit dem schönen Gesicht unterm Strohhut. Dass sie jetzt Kokosnüsse von rund 50.000 Palmen verarbeiten lässt und Rinder züchtet, sieht man ihrer eleganten Erscheinung nicht an. Sie zeigt auf das vorgelagerte Eiland Navy Island, auf das Holzhaus am Strand. Dort, sagt sie lächelnd, habe sie mit „diesem unglaublichen Mann“, der viel älter war als sie, Anfang der 50er Jahre eine „wundervolle Zeit“ verbracht. Dass er auf romantischen Floßtouren mit anderen Frauen unterwegs gewesen sein soll und nie zweimal mit der Gleichen, sagt sie nicht.

     Bei einem Sturm war der smarte Verführer auf dem Weg zu den Galapagos-Inseln mit seiner Jacht hier gestrandet. So gut gefiel ihm der unfreiwillige Hafen, dass er den Törn in Port Antonio beendete, sich auf Navy Island ein Haus baute und mit vielen berühmten Freunden Hollywoodglamour nach Jamaika brachte. Von Port Antonio, ab Ende des 19. Jahrhunderts ein florierender Umschlaghafen für Bananen, wurden die Stauden auf Bambusflößen verschifft. Flynn ließ als Erfinder des Bamboo Raftings eine Sitzbank darauf zimmern, um der jeweiligen Begleiterin näher zu sein. Eines Nachts soll er so in Wallung geraten sein, dass er das Floß samt Dame im langen Kleid zum Kentern brachte. Seitdem ist Rafting nachts verboten.

     Kein Problem für die meisten Touristen, die in der heißen Sonne der Karibik lieber nicht ihrer zügellosen Leidenschaft frönen, sondern nur schauen, fotografieren, filmen und entschleunigen wollen.

     Warten auf die Flöße. Wie aus einer anderen Zeit steuern sie, mit einer langen Stange navigiert, langsam auf die Anlegestelle zu. Aus rund zehn langen Bambusrohren gebunden, vorne trapezförmig zugehend und mit Bänken für je zwei Personen ausgestattet, sollen sie uns den Rio Grande hinunter tragen.

     Buddy heißt unser Steuermann, einer von 110 Kapitänen, die beim Bamboo-Rafting im Einsatz sind. Ihre Flöße bauen sie meist selber, nur ein paar Monate halten sie, dann müssen neue Bambusstämme zusammen gebunden werden. So sieht man auf dem Fluss ganz unterschiedliche Schattierungen von hell bis dunkelbraun, je nachdem, wie alt die Hölzer sind.

     Wie viele Flöße Buddy im Laufe seines Lebens schon gebaut hat, kann er nicht mehr sagen. Fünf Jahre lang musste er das Navigieren lernen, erzählt er, erst dann habe er die Lizenz als Floßkapitän erhalten. 61 Jahre alt ist er, vier Kinder und vier Enkelinnen hat er, die er mit seinem Verdienst von rund 27 Euro pro Trip unterstützt. Ca. neun Euro davon erhält der Junge, der das Floß zur Einstiegsstelle zurückbringt, und etwa 4,50 Euro muss Buddy für das Taxi zahlen, das ihn selber wieder hinfährt. Zwei Touren höchstens am Tag schafft er, „und auch nur, wenn mal ein Kreuzfahrtschiff in Port Antonio fest macht und Passagiere bringt“. Doch das ist nur noch selten der Fall, da die meisten Passagierdampfer inzwischen in Ocho Rios oder Montego Bay und ab 2011 auch im Falmouth Port anlegen.
 

Barfuß steht Buddy vorn auf dem Floß und manövriert es geschickt durch enge Felsformationen
    
     Barfuß steht Buddy vorn auf dem Floß und manövriert es geschickt durch enge Felsformationen und gefährliche Stromschnellen. „Manchmal“, sagt er, „bieten sie so viel Widerstand, dass die Jungs auf dem Rückweg flussaufwärts das Floß mit einem Seil vom Ufer aus ziehen müssen.“ Dafür ist das Wasser streckenweise so flach, dass sich der Steuermann mit der Stake von den abgeschliffenen Steinen, die aus dem Wasser ragen, abstoßen kann. Auf jeden Fall ist baden erlaubt, um eine Weile ohne Hast neben dem Floß herzuschwimmen.

Blaureiher - Little Blue Heron (Egretta caerulea)

Blaureiher - Little Blue Heron (Egretta caerulea)

    
    
     Wie eine sattgrüne Filmkulisse ziehen die Ufer rechts und links unseres Konvois entlang. Bananen- und Zuckerrohrplantagen wechseln sich ab, und manchmal wächst dichter Urwald bis ins Wasser hinein. Exotische Vögel begleiten uns akustisch, Reiher picken nach Fischen, Kinder laufen eine Weile am Ufer mit, und einmal kommt uns ein Rastaman auf einem anderen Floß entgegen, um kühle Getränke anzubieten.
     34,3 km lang zieht sich der Rio Grande als einer von 140 Flüssen auf Jamaika von den Blue Mountains, wo er in 1000 m Höhe entspringt, bis zum Meer. Doch nur auf einer Strecke von 11 bis 13 Kilometern sind die Flöße unterwegs. Immer breiter wird der Fluss, und bald mündet er in die karibische See. Am Rafter’s Rest in Margaret’s Bay legen wir mit ein wenig Bedauern schließlich wieder an.
     „Cool runnings!“ lautet der inoffizielle Gruß der Jamaikaner. „Entspann dich!“ heißt es frei übersetzt. An kaum einem anderen Ort der Insel trifft die Empfehlung wohl so zu wie beim Bamboo-Rafting auf dem Rio Grande. „Das ist die schönste Insel, die das Auge je gesehen hat“, soll Christoph Kolumbus 1494 bei seiner Ankunft über Jamaika geurteilt haben. Dabei hatte er den Rio Grande noch gar nicht entdeckt.

 

Copyright © Fotos: Dagmar Gehm
Anmerkung der Redaktion: Die Autorin wurde für diesen Artikel mit dem
3. Platz beim Karibik-Journalistenpreis 2012 ausgezeichnet

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Stand: 25. Juni 2012
 

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