Fenster zu
CariLat-Karibik-Lateinamerika-Magazin

Play: Fifteen men on a dead man's chest From a 1901 Broadway musical,Seq. by Almut Koerting http://www.acronet.net

Kannibalen, Piraten & Co

Kolumbusolumbus?

Brigitte Geh-Spinelli, Karibik-Expertin aus München, kreierte zum Thema den wohl treffendsten Satz, den ich hier gleich eingangs zitieren will: Kolumbus sei eigentlich "der erste Tourist" in der Karibik gewesen. Wie wahr! Denn natürlich fing die Geschichte der Karibik nicht mit Kolumbus an, der 1492 auf Gedeih und Verderb gen West segelte, um einen schnelleren Seeweg nach Indien zu finden, und schließlich auf San Salvador (heute Bahamas) das erste Mal amerikanischen Boden betrat.

Bekanntlich gab es da um 900 schon eine Wikingercrew um einen gewissen Erik, die den Weg nach West zum späteren "Amerika" fand - nur dass sie wieder abzogen und das "Neuland" nicht in Besitz nahmen wie es die Spanier und nach ihnen die Engländer, die Holländer, Franzosen, ja auch die Dänen taten.  

        Speziell in der Karibik ging es schon vor Kolumbus heiß her. Die kriegerischen Kariben drängten aus dem Dunkel ihrer Urwäldern im heutigen Venezuela und Kolumbien an die karibische Sonne, ruderten nach Trinidad und eroberten eine Antilleninsel nach der anderen von den friedliebenden dort heimischen Arawak. Dabei gingen sie gründlich vor: Sie schwächten die Arawakstämme, indem sie ihnen die Frauen raubten, führten Kriege und verspeisten die ärgsten Widersacher - nicht nur im festen Glauben daran, dass nur ein toter Feind keiner mehr ist - sie glaubten auch, dass es nicht schaden könne, sich dessen Kraft einzuverleiben. Kurzum: Es waren Kannibalen.

        Kein Wunder, dass die Arawak Angst vor den Kariben hatten und Kolumbus fast wie einen von Manitu gesandten Retter empfingen. Kaum verwunderlich auch, dass die Spanier sich später bei ihrer unersättlichen Jagd nach Sklaven lieber an diesen braven Arawakstämmen schadlos hielten. Und dass sie fast drei Jahrhunderte lang einen großen Bogen um die kleinen Antillen, die Hochburgen der Kariben, machten - wo diese "wilden" Kariben sich lange tapfer behaupteten - unterstützt durch zahlreiche entlaufene afrikanische Sklaven von anderen Inseln. Ein Feuerwaffen-Großangriff der Engländer auf St.Vincent brach schließlich diesen letzten Widerstand und führte teilweise zur Deportation der (Black-) Caribs nach dem damaligen Spanisch-Honduras (wo sie bis heute - neben Guatemala und Belize) leben und ihre Kultur pflegen.

        In den drei Jahrhunderten von der Entdeckung bis zur Deportation der Black Caribs war die Karibik ein Schlachtfeld der europäischen Nationen. Jede wollte vom Kuchen der "Neuen Welt" was abhaben. Angeheizt wurden die Eroberungs- und Kaperfahrten der Freibeuter und Piraten wie Henry Morgan oder Francis Drake durch die Glaubenskämpfe zwischen Katholiken (Spanier, Franzosen) und Protestanten (Engländer, Holländer, Dänen), die in der Alten Welt zahlreiche Scheiterhaufen zum Lodern brachten. Vor allem die Engländer rüsteten ganze Flotten aus, um den verhassten erzkatholischen Spaniern den Krieg anzusagen - und dabei Land zu gewinnen. Auf den Inseln entstanden zahllose Festungen, Kanonenkugeln flogen, Schatzschiffe sanken, es wurde geplündert und geraubt. Die Inseln wechselten die Landesfahnen wie die feine Gesellschaft in den Tropen ihre Hemden. Und die im Land verbliebenen Sklaven mussten sich mal auf holländische, mal auf französische, spanische oder englische Herren sprachlich einstellen. Folge: Ihr mitgebrachtes Afrikanisch wurde im Laufe der Zeit ein von den verschiedenen Besatzungen geprägter Mischmasch: wie das Patois (z.B. auf Jamaica oder St.Lucia) oder Papiamento (z.B. auf Aruba oder Curaçao), Dialekte, die neben der jeweils offiziellen Landessprache heute noch von den Einheimischen gesprochen werden.

        Von 1492 bis 1792 wurde die Karibik so immer wieder neu unter den europäischen Nationen aufgeteilt. Die Spanier, die sich auf den Abbau der Edelmetalle und -Steine in den Minen Mittel- und Südamerikas und den Schutz ihrer wichtigsten Verschiffungshäfen wie Cartagena (Kolumbien), Havanna (Kuba) und San Juan (Puerto Rico) konzentrierten, überließen die von Kannibalen "verseuchten" kleinen Antillen mehr oder weniger kampflos an die Engländer. Auch an den ABC-Inseln vor der Küste Venezuelas zeigten sie wenig Interesse. Dort ließen sich die Holländer nieder, boten Glaubensflüchtlingen aus Europa eine Zuflucht vor religiöser Verfolgung, und stiegen so schnell zu bedeutenden Handelszentren auf - vor allem Willemstad auf Curaçao. Viel verdient wurde dort auch mit dem Handel von Sklaven, und überall mit den Produkten, die dank der kostenlosen Arbeitskraft "Sklave" überdimensionale Gewinne abwarfen: z.B. mit Salz von den Salinen, Zucker, Kakao oder Kaffee von den Plantagen.

        Die einheimischen Indianer , auf dem Papier offiziell "Schutzbefohlene", die zum rechten Glauben bekehrt sollten (aber dafür auch unentgeltlich arbeiten mussten), wurden von den Spaniern regelrecht als Arbeitskräfte in den Minen "verheizt", oder bei Ungehorsam zur Abschreckung massenweise massakriert. Oder sie starben an eingeschleppten Krankheiten. Angesichts der Ausbeutung der einheimischen Bevölkerung konvertierte ein spanischer Edelmann zum Priester und wurde als Bartolomé de Las Casas zum Fürsprecher der Indianer. In seinem "Bericht von der Verwüstung der Westindischen Länder" beschreibt er schonungslos die damaligen Greueltaten. Mit dem Vorschlag, afrikanische Sklaven für die Arbeit in den Minen, auf den Salinen oder den Plantagen einzuführen, sorgte er unwillentlich für die grässlichste Verschleppungsaktion und Versklavung von Menschen in der Geschichte.

        1789 erlebt der europäische Kontinent die französische Revolution. Ihr Ruf nach Gleichheit und Freiheit entfacht im französischen Teil der Insel Hispaniola eine Revolte unter den Sklaven. Die Plantagenbesitzer flüchten mit ihren ergebenen Sklaven in die restlichen karibischen Kolonien des befreundeten Spanien (Kuba, Trinidad) oder ins französische Louisana (New Orleans). Haiti ruft sich zur freien Republik aus - und eine Woge von Sklavenaufständen überzieht die Karibik, die die Inselherren jetzt mit brutalster Gewalt unterdrücken oder ahnden. Nur auf Jamaica können sich die Maroons so lange in den "Blauen Bergen" gegen die englischen Bluthunde behaupten, dass die Regierung den Kampf gegen sie schließlich aufgibt.

        Anfang des 19.Jahrhunderts kommt aus einem aufgeklärten Europa immer heftiger die Forderung nach der Abschaffung der Sklaverei in der Karibik. Aber die Plantagenbesitzer sträuben sich. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts ist es dann fast überall so weit. Schlagartig stehen die Plantagenbesitzer ohne ihren kostenlosen Arbeitskräfte da. Die Briten werben zum Beispiel für Trinidad neue Arbeitskräfte aus ihren anderen Kolonien an, vor allem aus Indien. Aber auf vielen Inseln bricht die Plantagenwirtschaft auch zusammen. Großgrundbesitzer verlassen ihre Ländereien - und die ehemaligen Sklaven und ihre Mischlingskinder ihrem Schicksal.

        Im Rausch der neuen Freiheit drängen die großen Kolonien auf Selbständigkeit und politische Unabhängigkeit. Neue Führer braucht das Land, ist der Ruf des Volks. Er bringt Männer an die Spitze, die nun aus den eigenen Reihen stammen, mangelnde Bildung und Übung mit Staatsgeschäften hinter demagogischem Talent verstecken, und die sich bald als noch machthungriger und brutaler als ihre kolonialen Vorgänger entpuppen. Wer nicht von seinen gepeinigten Untertanen selbst ermordet wurde wie der Diktator Trujillo in der Dominikanischen Republik, den bringt inzwischen (sofern es den eigenen Interessen dient) das Ausland, bzw. Weltpolizist USA zur Räson - wie zuletzt auf Haiti.

        Angesichts solcher Entwicklungen ist unter den letzten "abhängigen" Kronkolonien oder Departments von Frankreich und den Niederlanden heute längst der Ruf nach "Freiheit" verstummt. Die meisten erleben die politische "Abhängigkeit" von ihren ehemaligen Mutterländern heute weniger als ausbeutenden Imperialismus, sondern vielmehr als Chance, an den sozialen Errungenschaften der EU-Länder teilhaben zu können.

Gesine Froese / erschienen in Abenteuer & Reisen

   

Buchtipp: James A. Michener
Karibik
ISBN 3-404-11960-6
Erscheinungsdatum: 01.06.1993
Buch/Taschenbuch/broschiert
Bastei-Lübbe Verlag: http://www.luebbe.de
Karibik: James A. Michener
 

PiratenflaggePiraten: http://www.interknowledge.com/bahamas/pirates01.htm

 

Weitere Infos: http://www.caribbeantravel.com

 

 

 

Nach obenCariLat-Karibik-Lateinamerika-Magazin


Alle Angaben nach bestem Wissen, aber ohne Gewähr
Copyright © CariLat.  Alle Rechte vorbehalten.
Stand: 06. April 2009  

 

© webDesign by  CariLat